Konzeptionslosigkeit und Retro-Ideen als politisches Programm
Zum Artikel "Visionen für mehr Mobiltät" der Westfalenpost vom 10.06.21 hat unser ADFC-Mitglied F.J. Knur eine ganz eigene Meinung.
Helmut Schmidt hat seinerzeit jedem, der Visionen hat, einen Arztbesuch angeraten. Dies gilt umso mehr für alle, die irrtümlich glauben, eine Vision zu haben. Nahezu alle Einzelheiten dieser politischen Halluzinationen in den unbelehrbaren Köpfen gehören zum Instrumentarium einer Politik der ungebremsten Vergeudung, wie sie bereits 1972 in der Veröffentlichung „Grenzen des Wachstums“ angeklagt wurde. Der WP gehört ein Dankeschön dafür, dass sie der Inkompetenz und Pfadblindheit die Gelegenheit geben, die politische Hose herunterzulassen.
Die Garde der Unbedarften, die nicht einmal so alt sind wie die Warnungen des Weisen von damals, werfen mit Begriffen wie „Mobility Hub“ um sich, um Eindruck zu schinden, während sie eigentlich ihre kurze Lebenszeit besser darauf verwenden sollten, wie man die inner-städtische, fossil betriebene Mobilität begrenzt. Das „Poundbury Project“ in Süd-England führt an einem Beispiel vor, wie die Sünden, vielleicht sogar Verbrechen der Väter, wieder begradigt werden können, um die Belastung der Urenkel nicht noch weiter zu erhöhen. Gesponsert wird dieses Projekt seit Jahrzehnten aus dem Herzogtum Cornwall, deren Titelträger bekanntermaßen kein geringerer als Prince Charles ist. Der macht es den hektisch agierenden Grünschnäbeln und ihren Strippenziehern im Hintergrund vor, wie „Konservativ“ tatsächlich geht und funktioniert.
Zu kurz springen alleine reicht jedoch nicht.
Hat überhaupt jemand der Beteiligten einmal darüber nachgedacht, wie ein „Mobility Hub“ in die Höhe zu stapeln geht, um Flächenverbrauch zu minimieren? Eigentlich handelt es sich nämlich um nichts anderes als einen Umschlagplatz für alles nur Erdenkliche, das Platz verbraucht wie die Transportmittel und -wege, die Luft durch den zwangsläufig entstehenden, fremd generierten Schwerverkehr verdirbt und mit seiner Abgasfahne in vorherrschender Westdrift die Atemluft in Bösperde verschlechtert.
Und außerdem: Welches Angebot soll an welchem Bahnhof denn „erweitert“ werden?! Die Chance auf einen Drehpunkt für die weichen, innerstädtischen Verkehrsarten wurde vertan, als sich die Politik von den Investoren zur heutigen Nutzungskatastrophe beschwatzen ließ. Wo es einmal einen Bahnhof gab, steht heute ein Gebäude mit Büronutzung und einer Fritten-Schmiede, während nicht einmal ein Warteraum für frierende Fahrschüler vorgesehen ist. Eine Radstation wurde ebenfalls der Nachfrage verweigert, und eine Uhr erhielt die Bahnhofskarikatur erst durch einen mitleidigen Sponsor. Witterungsgeschützte und diebstahlhemmende Anlehnbügel für den Radverkehr gibt es lediglich bei Edeka und Aldi, die dafür gelobt werden müssen. Die Verkehrsführung, gerade für den Radverkehr, im Bereich der Promenade grenzt an billigend in Kauf genommene Körperverletzung an Fußgängern und Radfahrer.
Insgesamt wäre das gesammelte Geschwafel, das politische Verantwortliche unter sich gelassen haben, ein Witz, wenn es nicht die Erfordernisse dieser an sich sehr schönen, alten Stadt in fortgesetzter Weise ignoriert und Konzepte, die den Namen verdienen, überhaupt nicht erkennbar werden.